Im Interview mit dem Businessmagazin Ladies Drive:
Das Leben feiern – und es danach den Liebsten nicht allzu schwer machen, wenn man geht: Das ist das Anliegen von Nicole Strausak. Die Entrepreneurin gründete moribono, einen Online-Testamentsdienst. Der letzte Wille ist im digitalen Zeitalter angekommen. Ein todernstes Thema? Keineswegs!
Text: Claudia Gabler Foto: Peter Leuenberger
Ladies Drive: Liebe Nicole, du siehst jung aus – darf ich fragen, wie alt du bist? Nicole Strausak: 45, aber noch in der Wachstumsphase. Ich zähle mich zu den „Ageless Agern“ – wir hacken das Alter! (lacht)
Wie hackst du das Alter? Wer dynamisch und offen bleibt und Freude am Lernen hat, bewahrt sich automatisch eine gewisse Jugendlichkeit. Auch Sport finde ich toll für Körper, Geist und Psychohygiene. Und eine lustige Party zwischendurch wirkt ebenfalls Anti-Aging-Wunder!
Du machst einen sehr fröhlichen Eindruck – wie kommt ein Sonnenschein wie du auf die Idee, ein Online-Testament zu lancieren? (lacht) Das klingt vielleicht etwas morbid, ist es aber gar nicht! Auslöser war meine persönliche Situation. Ich lebe im Konkubinat. Diese Lebensform ist erbrechtlich nicht gut geregelt. Das Schweizer Erbrecht ist über 100 Jahre alt und auf traditionelle Lebensformen – Ehe mit Kind – ausgerichtet. Alle anderen modernen Lebensweisen wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Patchwork-Konstellationen, unverheiratete Paare passen nicht in das konventionelle Schema. Ich sah Handlungsbedarf. Die Möglichkeiten der Digitalisierung brachten mich vor fünf Jahren auf die Idee, einen einfachen Erbschafts-Simulator zu bauen, der interaktiv und spielerisch mit wenigen Klicks aufzeigt, wie die persönliche Erbrechtssituation aussieht.
Wie hat dein Umfeld auf deine Geschäftsidee reagiert? Wir alle werden irgendwann gehen – das Thema betrifft jeden von uns. Mein Umfeld fand auch, dass es hier eine Angebotslücke gibt, insbesondere als ich ihnen ihre individuelle erbrechtliche Situation aufzeigte. Im Zuge zahlreicher Gespräche ist mir aufgefallen, dass sehr viel Halbwissen vorhanden ist. Jeder hat schon mal etwas von Pflichtteilen gehört, von vorgegebener gesetzlicher Verteilung, aber die wenigsten wissen, wie das konkret in ihrem Fall aussieht. Viele sind im falschen Glauben, dass das Erbrecht genau ihrem Wunsch und Bedürfnis entspricht. Erst wenn sie sich damit befassen, merken sie, dass dem gar nicht so ist. Und notabene werden in der Schweiz grosse Summen vererbt: jährlich rund 38 Milliarden Franken.
Nur ein Viertel aller Verstorbenen verabschiedet sich jedoch mit Testament. Wieso hinterlassen die meisten ein Chaos, wenn sie gehen? Für viele Menschen ist der Tod ein kulturell- religiös bedingtes Tabuthema. Aber ich spüre eine Veränderung in meiner Generation: Sie thematisiert das Sterben und will auch den Abschnitt des Gehens aktiv mitgestalten. Das ist eine grosse Chance! Denn das Thema geht über den Tod hinaus. Ein Testament zu machen heisst: Es ist mir nicht egal, was nach mir passiert. Wenn man für die geliebten Hinterbliebenen eine klare, geregelte Situation hinterlässt, macht es das um vieles einfacher! Sie müssen nicht spekulieren, sondern wissen, was man sich gewünscht hat.
Denkst du manchmal ans Sterben? Ans Sterben nicht konkret, aber mir ist sehr bewusst, dass das Leben endlich ist. Genau aus dem Grund ist das Leben auch so wertvoll.
Warum wollen wir nicht ans Sterben denken? Weil der Mensch so nicht funktioniert! Niemand von uns macht gern etwas im Voraus oder auf Vorrat – und ein Testament ist ein Vorsorgethema. Hinzu kommt, dass es das Charakteristikum vom Tod ist, dass wir nicht wissen, wann er eintrifft. Aber Fakt ist: Wir können morgen verunfallen. Oder unser Partner. Das Thema hat nicht nur auf uns selbst einen Einfluss. Wenn unser Partner nichts geregelt hat, betrifft uns das ganz direkt. Ist es nicht seltsam? Wir befassen uns jedes Jahr mit unserer Krankenkasse, der Autoversicherung, dem Hausrat – aber sich ein paar Gedanken zu machen, was mit dem eigenen Nachlass passiert, oder sich wenigstens darum zu kümmern, dass dann auch die richtigen Leute, die man von Herzen liebt, begünstigt werden, fällt uns schwer.
Ist das nicht ein Widerspruch? Ganz klar! Deshalb war meine Idee, die Hürde möglichst niedrig zu halten, sodass die Leute mit wenigen Klicks feststellen können, ob sie Handlungsbedarf haben oder nicht. Je nach Lebenssituation und persönlichem Ziel der Nachlassverteilung ist ein Testament, ein Ehevertrag oder ein Erbvertrag das richtige Instrument. Ein eigenhändiges Testament kann jede Person ohne Anwalt oder Notar verfassen. Was es dabei zu beachten gilt, wo man ein Testament am besten aufbewahrt – dies beantworten wir auf unserem Portal. Und wir zeigen auf, in welchen familiären Konstellationen und Vermögenssituationen es Sinn macht, sich durch eine Fachperson beraten zu lassen. Dies kann ein Anwalt oder Notar sein. Auch Institutionen wie Banken, Versicherungen, Treuhänder können hier eine wichtige Rolle übernehmen im Beratungsgespräch. Gespannt blicke ich auch auf die bevorstehende Erbrechts-Revision: Der Erblasser soll durch die Senkung der Pflichtteilsquoten noch mehr Handlungsspielraum erhalten.
Was muten wir der Nachwelt zu, wenn wir diesen Spielraum nicht nutzen? Auch das kann der letzte Wille sein: nichts zu regeln. Schade ist eigentlich nur, wenn aus Unwissen keine Regelung getroffen wird und es dann so herauskommt, wie es sich der Mensch nicht gewünscht hätte. Vielleicht kommt es zu Streitereien, eine nahestehende Person wird nicht berücksichtigt oder kommt in finanzielle Not.
Was tut man, wenn niemand weiss, was der Mensch eigentlich wollte? Kremieren? Begraben? Mirabellenbaum pflanzen? Den Abschied so gestalten, wie es für die Hinterbliebenen stimmt! Abschiedsfeiern sind ein wichtiger Schritt im Trauerprozess und können sehr symbolisch persönlich mitgestaltet werden – mit oder ohne religiösen Kult und Grabpflege. Wünsche für den eigenen Abschied sollten übrigens nicht in einem Testament festgehalten werden. Je nach Hinterlegungsort wird ein Testament erst nach der Bestattung eröffnet. Diese persönlichen Wünsche sollten frühzeitig im persönlichen Gespräch mit dem Partner, der Tochter, einer nahestehenden Person besprochen werden, zum Beispiel bei einem guten Glas Wein. (lacht)
Wie kann man die Leute motivieren, ihr Testament in Angriff zu nehmen? Am einfachsten ist, sich fünf Minuten Zeit zu nehmen und den Sofort-Check auf moribono.ch durchzuführen. So weiss man auf einen Klick, ob die gesetzliche Situation dem eigenen Wunsch entspricht oder nicht.
Und wann ist ein guter Zeitpunkt dafür? Ich plädiere dafür, sich mit dem Thema zu befassen, wenn man mitten im Leben steht. Sich ab 40 einmal eingehend Zeit zu nehmen, sich mit den persönlichen Wünschen auseinanderzusetzen finde ich sinnvoll. Ich erhalte oft die Rückmeldung, dass es als befreiend erlebt wird, wenn diese Punkte geregelt sind.
Sollte man auch ohne Vermögen sein Testament regeln? Das Testament ist schon in erster Linie ein Instrument, um die Verteilung der Vermögenswerte zu regeln. Aber auch liebgewonnene Gegenstände oder Schmuck können einzelnen Personen oder auch gemeinnützigen Institutionen vermacht werden. Es gibt weitere sinnvolle Verfügungen, welche unabhängig von Vermögenswerten sind und das Selbstbestimmungsrecht fördern: Mit einer Patientenverfügung legt man fest, welchen medizinischen Massnahmen man im Falle der eigenen Urteilsunfähigkeit zustimmt. Und mit einem Vorsorgeauftrag kann man die Betreuung und rechtliche Vertretung regeln, wenn man selbst nicht mehr dazu in der Lage ist.
Jetzt haben wir uns viel über Vermögen und physischen Besitz unterhalten. Wie sieht es eigentlich mit den digitalen Fussspuren aus, die wir hinterlassen? Das ist ein guter Punkt. Facebook bietet zum Beispiel die Möglichkeit, die Profile Verstorbener in Erinnerungs-Pages umzuwandeln, sodass Freunde kondolieren und Abschied nehmen können. Einige Social- Media-Dienste bieten mittlerweile die Möglichkeit an zu hinterlegen, was passieren soll, wenn es mich mal nicht mehr gibt. Wer erhält die Berechtigung, meine wichtigsten Accounts zu pflegen? In die Zukunft geblickt: Hier könnte man schöne weitere Dienste entwickeln, sodass Freunde und Kollegen beispielsweise nicht mehr mittels Todesanzeige, sondern via Social- Media-Notifikation informiert werden.
Wie viel Zeit sollte man in das Testament investieren? Sich einmal fundiert mit den persönlichen Wünschen zu befassen und dann alle fünf Jahre prüfen, ob sich an der Konstellation etwas Grundsätzliches verändert hat, macht Sinn. Ansonsten sollten wir uns allerdings am Leben erfreuen! Wir müssen nicht den Anspruch haben, dass alles bis ins letzte Detail geregelt ist.
Woody Allen hat einmal gesagt: „Meine Einstellung zum Tod hat sich nie geändert: Ich bin vehement dagegen.“ Teilst du seine Einstellung? (lacht) Ich finde Woody Allen toll, aber diese Einstellung teile ich nicht. Es ist gut, wenn man alles in ein grosses Bild einordnet und sich selbst nicht zu wichtig nimmt. Wir sollten vielmehr dankbar sein für das Privileg, dass wir leben dürfen – noch dazu an einem so schönen Ort. Ich glaube, es ist gut, dass das Leben auch ein Ende hat. Dadurch schätzt man den Moment viel mehr. Das Leben ist eine endliche Ressource. Die Welt funktioniert auch ohne uns weiter. Es kommen andere nach. Ist das nicht beruhigend? (lächelt)
Hast du ein Testament? Selbstverständlich! Mein Testament soll über den Tod hinaus Freude bringen für meine Lieblingsmenschen. Wenn ich nicht mehr bin, will ich, dass es meinen Liebsten so gut als möglich geht. Sie sollen gut weiterleben, möglichst ohne Altlasten von mir. Ist das nicht ein schöner Gedanke?
Und wie wir dich kennengelernt haben, wirst du deinen Liebsten bestimmt auch ein grosses Lächeln in die Gesichter zaubern, wenn dein Testament verlesen wird. Das hoffe ich doch! (schmunzelt)
2012 ging die innovative Geschäftsfrau Nicole Strausak mit dem unkonventionellen und völlig neuen Online-Testament an den Start. Mit dem kundenorientierten und benutzerfreundlichen Dienst bringt die Entrepreneurin eine Lösung für den viel gehegten Wunsch auf den Markt, ein persönliches und individuelles Testament kostengünstig selbst erstellen zu können – einschliesslich Sofort-Check, der die persönliche Nachlass-Situation simuliert.